Bund will keine jüdischen Zuwanderer
Zuzugsstopp ab 2006
Israel und der Zentralrat sollen Bescheid wissen
BERLIN, 17. Dezember. Die Bundesregierung will den Zuzug von Juden aus der früheren UdSSR stark begrenzen. Die seit 1991 geltenden Vorgaben sollen nach Informationen der Berliner Zeitung zum 1. Januar 2006 verschärft werden. Das wurde von Mitgliedern des Zentralrates der Juden in Deutschland am Freitag bestätigt. "Wir kennen den genauen Inhalt des Gesetzestextes nicht. Deshalb gibt es keinen Beschluss des Zentralrates dazu", sagte Albert Meyer, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Meyer ist Mitglied des neunköpfigen Präsidiums des Zentralrates.
Die Gerüchte über die änderungspläne haben in den letzten zwei Tagen für erheblicher Unruhe in den jüdischen Gemeinden gesorgt, besonders nachdem der Jüdische Kulturverein Berlins in einer Erklärung von "absehbar negativen Folgen" gewarnt hatte. Nach Informationen dieser Zeitung sollen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) die vorgesehenen änderungen mit dem Geschäftsführer des Zentralrates, Stefan Cramer, aber auch mit der zentralratsunabhängigen Union der progressiven Juden besprochen haben. "In Anbetracht der wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie der Erfahrungen mit der Integrationsfähigkeit der Zuwanderer halten wir die Regelung für vertretbar", sagte der liberale Rabbiner Walter Homolka. Der israelische Heimatminister Nathan Scheransky hat sich offenbar in die Debatte eingeschaltet und soll sein Einverständnis in dieser heiklen Angelegenheit erklärt haben. Hintergrund ist, dass mit 9 400 eingewanderten Juden in diesem Jahr erstmals 1 000 mehr in die Bundesrepublik als nach Israel ausreisten. Der Bund soll, so heißt es, zu diesem Thema Geheimhaltung bis zur schriftlichen Vorlage mit allen Beteiligten verabredet haben.
Noch gilt, dass Personen zuwanderungsberechtigt sind, die jüdischer Nationalität sind oder von einem jüdischen Elternteil abstammen. Dies hatte 1990 der Jüdische Kulturverein Berlin angeregt, und so war es schließlich mit dem inzwischen verstorbenen Zentralratspräsidenten Heinz Galinski und Altkanzler Helmut Kohl ausgehandelt worden. Nach den neuen Plänen wird das Beherrschen der deutschen Sprache Voraussetzung für einen Zuzug. Außerdem müssten Zuwanderer dann maximal 45 Jahre alt sein und dürften keine Sozialhilfe beziehen. Zudem sollen die osteuropäischen Juden ein nicht näher definiertes "Zertifikat" einer jüdischen Gemeinde nachweisen. "Nur reiche Juden sind willkommen", sagte ein Gemeindemitglied verbittert. Allein in der Berliner Jüdischen Gemeinde mit rund 12 500 Mitgliedern sind mindestens 8 000 Menschen aus Osteuropa, etwa 80 Prozent leben von Sozialhilfe. Die Gemeinden geraten zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten.
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197 000 Neubürger // Rund 197 000 Juden sind seit Anfang der 90er-Jahre aus der Ex-UdSSR in die Bundesrepublik gekommen. 2003 waren es 15 442 jüdische Zuwanderer. Als Motiv nennt das Bundesamt für Migration Angst vor Antisemitismus und die "prekäre ökonomische Situation".
27 000 Juden warten aktuell auf die Zusage der Einreise. Diese soll nur noch bis zum 31. Dezember 2005 gelten. Weitere 27 000 wollen noch Anträge stellen. Mit 416 000 Flüchtlingen sind in den letzten Jahren die Zahlen von Zuwanderern anderer Länder fast konstant geblieben.
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http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/1218/politik/0063/index.html